Stahlmarkt Consult Blog

In meinem Stahlmarkt-Blog befasse ich mich mit Neuigkeiten aus der Stahlmarkt-Welt und analysiere Trends und Marktentwicklungen.

Flachstahl: Kommen 2013 die Jahresverträge zurück?

Zum Jahresende laufen im Flachstahlbereich die zum 01. Juli geschlossenen Halbjahresverträge aus. In diesen Tagen beginnen erste Verhandlungen über Neuabschlüsse zum 01. Januar 2013. Neben dem Zeitpunkt und der Höhe der Abschlüsse rückt auch die Laufzeit der Verträge wieder stärker in den Fokus.

Die bis 2010 vor allem im Automotive-Bereich weit verbreiteten Jahresverträge mit festen Preisen über zwölf Monate gibt es derzeit kaum noch. Grund hierfür sind die insgesamt deutlich verkürzten Preisbindungen bei den Rohstoffen Eisenerz und Kokskohle. Auf diesen Paradigmenwechsel wurde trotz vieler Gespräche entlang der Supply Chain noch keine für alle Seiten überzeugende Antwort gefunden. Halbjahresverträge sind weit verbreitet, aber viele Marktteilnehmer sind mit ihnen nicht glücklich.

Denn Halbjahresverträge bedeuten im Vergleich zu Jahresverträgen zunächst einmal erhöhten Gesprächs- und Verhandlungsaufwand. Zudem laufen Einkaufs- und Verkaufspreise bei vielen Stahlverarbeitern nicht mehr synchron. Dadurch ist für die mittelständischen Autozulieferer, die ihrerseits von ihren Kunden zu festen Jahrespreisen gedrängt werden, das Risiko deutlich gestiegen. Bei einem unterjährigen Preisanstieg sind Nachverhandlungen bei vielen Kunden erst gar nicht möglich oder sie bleiben erfolglos.

In den vergangenen Preisrunden wurde daher die Frage nach Jahresverträgen in Einzelfällen bereits gestellt. Im Service-Center-Bereich waren solche Deals bisweilen auch zu bekommen. Allerdings fiel der dafür verlangte „Sicherheitszuschlag“ so groß aus, dass ein Abschluss aus wirtschaftlicher Sicht nicht attraktiv war.

In den bevorstehenden Verhandlungsrunden für 2013 könnten die Karten neu gemischt werden, denn im Vergleich zu den vergangenen beiden Jahren haben sich die Rahmenbedingungen in verschiedenen Punkten geändert. Die europäische Stahlindustrie hat seit Monaten mit einer ausgeprägten Nachfrageschwäche und mit einem erheblichen Margendruck zu kämpfen. Die jüngst vorgelegten Zahlen von ArcelorMittal und Voestalpine sowie die Gewinnwarnung von Salzgitter sprechen eine deutliche Sprache. Da der Wettbewerb am EU-Markt intensiv geführt wird, dürften (volumenstarke) Kunden in diesem Umfeld auf ein besonders offenes Ohr stoßen.

Auf den vorgelagerten Rohstoffmärkten scheint der Super-Boom der vergangenen Jahre zu Ende zu sein. Die Preise für Eisenerz und Kokskohle haben sich weit von ihren Höchstständen entfernt und sind im dritten Quartal regelrecht eingebrochen. Vor allem bei Eisenerz hat es danach wieder eine Erholung gegeben, aber die Preise liegen dennoch ca. 1/3 unter den im Frühjahr 2011 erreichten Spitzenwerten. Mittelfristig und auf Jahresbasis gerechnet, scheint das Abwärts- größer als das Aufwärtspotenzial. Auf dieser Basis wird für die Stahlhersteller das Risiko von kundenseitig wieder längerfristigen Preisvereinbarungen zumindest tendenziell geringer.

In Zeiten (stark) steigender Rohstoffpreise und guter Stahlnachfrage haben viele Stahlhersteller entgegen der verbreiteten öffentlichen Wahrnehmung von kürzeren Preisbindungen eher profitiert. Es ist – auch mit Hilfe einer geschickten Kommunikation – immer wieder gelungen, steigende Rohstoffpreise durch überproportionale Stahlpreiserhöhungen mehr als auszugleichen. Ein Grund dafür ist, dass die Preisbewegungen am Rohstoff-Spotmarkt mit einiger zeitlichen Verzögerung und oft auch in abgeschwächter Form in den Einkaufspreisen der Stahlwerke ankommen.

Allerdings könnte der Segen jetzt zum Fluch werden: Fast alle Marktteilnehmer sind mittlerweile für die Preisentwicklungen auf den Rohstoffmärkten sensibilisiert. Stahlverarbeiter erwarten, dass die Stahlpreise im Falle deutlich niedrigerer Rohstoffpreise genauso schnell und deutlich sinken, wie sie in gegenläufigen Marktphasen gestiegen sind. Für Stahlhersteller, die mit tendenziell sinkenden Rohstoffpreisen rechnen, könnten Jahresverträge vor diesem Hintergrund wieder interessanter werden.

Jahresverträge könnten in den Fällen zu einer Win-Win-Situation führen, in denen Stabilität und Planbarkeit für alle beteiligten Partner so wichtig sind, dass sie es dafür in Kauf nehmen, in bestimmten Phasen schlechter (aber dann auch wieder besser) da zu stehen als der Markt. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Vertragsparteien über einen „fairen“ Preis einigen können und dann unabhängig von kurzfristigen Schwankungen auch dazu stehen. Ob dies in einer Marktphase, in der sowohl in der Stahl- als auch in der Automobilindustrie vor allem Kostenoptimierung angesagt ist, in vielen Fällen gelingen kann, sei dahingestellt. Eine intensive Beschäftigung mit der Fragestellung unter Berücksichtigung der jeweiligen unternehmensindividuellen Positionierung erscheint trotzdem lohnenswert.

Selbst wenn es im kommenden Jahr im Flachstahlbereich in Einzelfällen wieder zu Jahresverträgen kommen sollte: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie nicht mehr zum Standard werden. Denn vor allem bei Eisenerz scheint der Trend zu spotmarktbasierten Tages- oder Monatspreisen unaufhaltsam voran zu schreiten. Der Eisenerzmarkt wird wohl volatil oder wenigstens unberechenbar und damit ein Risikofaktor bleiben. Diese Unberechenbarkeit könnte durch Instrumente der Risikoabsicherung, die in zunehmenden Umfang zur Verfügung stehen, gedämpft werden. Diese Mittel stoßen aber offenbar bei der europäischen Industrie weiterhin auf nur zögerliches Interesse.

© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Nachdruck und Verwendung mit Quellenangabe ist erlaubt.

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