Stahlmarkt Consult Blog

In meinem Stahlmarkt-Blog befasse ich mich mit Neuigkeiten aus der Stahlmarkt-Welt und analysiere Trends und Marktentwicklungen.

Rostfrei-Markt: Täglicher Legierungszuschlag lässt Fragen offen

Am 17.06.2013 hatte ich in meinem Blog über die bevorstehenden Änderungen an der Preis-Systematik im europäischen Rostfrei-Markt berichtet und war dabei zur Einschätzung gelangt, dass eine Reform des Legierungszuschlages alleine die tiefer liegenden Probleme der europäischen Rostfrei-Hersteller nicht lösen wird. Dennoch ist es nun soweit: Marktführer Outokumpu hat angekündigt, in Europa ein Preismodell mit täglich aktualisiertem Legierungszuschlag (Daily Alloy Surcharge) einzuführen. Dieses Modell löst das gegenwärtige System ab, bei dem die Legierungszuschläge für Edelstahl auf der Grundlage der historischen Legierungspreise monatlich festgelegt werden.

In einer Mitteilung des Unternehmens von Anfang November heißt es, für Neuaufträge ab dem 1. Januar 2014 werde das Preismodell mit täglich aktualisiertem Legierungszuschlag nunmehr für Händlerkunden in ganz Europa als Standard gelten. Im Rahmen des neuen Preismodells teilt Outokumpu seinen Kunden die Legierungszuschläge täglich auf seiner Homepage mit. Die Kunden können flexibel entscheiden, ob sie den Legierungszuschlag zum Bestelldatum festlegen möchten oder zu einem Datum, das zwischen dem Bestelldatum und der Mitte der Woche liegt, vor der der Auftrag ausgeliefert wird.

Nach Meinung des Unternehmens bietet der täglich aktualisierte Legierungszuschlag den Kunden vielerlei Vorzüge: Er bilde die aktuellen Rohstoffnotierungsentwicklungen rascher ab und gewähre den Kunden mehr Einfluss, weil sie den Zeitpunkt zur Festlegung des Legierungszuschlags selbst wählen können: „Sowohl die Kunden als auch Outokumpu haben während der Testphase vom neuen Preismodell profitiert… Wir sind davon überzeugt, dass dieses Modell die Volatilität mindern und die Absicherung von Rohstoffpreisrisiken erleichtern wird. Gleichzeitig ermöglicht es den Kunden eine neue Entscheidungsfreiheit.“

Noch nicht so ganz von den Vorzügen des neuen Modells überzeugt scheinen die wichtigsten Wettbewerber von Outokumpu zu sein. Der Hersteller Aperam, der ebenfalls eine mehrmonatige Testphase hinter sich hat, wird seinen Händler-Kunden ab Januar ebenfalls einen täglichen Legierungszuschlag anbieten. Dies geschieht aber nur als alternative Option zur weiterhin möglichen monatlichen Zuschlagsberechnung. Kunden müssen sich bei ihrer Bestellung für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden und sind dann an diese Entscheidung gebunden. Vom dritten großen europäischen Rostfrei-Hersteller, Acerinox, war zu dieser Angelegenheit in den vergangenen Monaten nichts zu hören. Das Unternehmen veröffentlicht seit Juni gar keine Legierungszuschläge mehr.

Die unterschiedliche Herangehensweise der drei führenden europäischen Hersteller entspricht zwar dem Wettbewerbsgedanken, macht den Markt im Vergleich zu Status Quo aber unübersichtlicher. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass der tägliche Zuschlag nur für Händlerkunden gilt, die rund 35-40% des europäischen Kundenstamms von Outokumpu ausmachen. Der wichtigste Grund dafür dürfte sein, dass direkt belieferte Industriekunden weniger stark zu dem spekulativen Bestellverhalten neigen, das mit der Umstellung vor allem bekämpft werden soll. Industriekunden beziehen ihre Mengen häufig im Rahmen von Quartals-, Halbjahres- oder Jahreskontrakten. Dadurch ist hier seltener das offenbar im Handelsbereich existente Problem vorzufinden, dass getätigte Bestellungen storniert werden, wenn aufgrund sinkender Legierungsmittelpreise sinkende Zuschläge antizipiert werden.

Daher ist die Unterscheidung zwischen Industrie- und Handelskunden zwar im Grunde nachvollziehbar. Da die Industriekunden natürlich nicht nur direkt, sondern auch über den Handel beliefert werden, birgt die abweichende Preissystematik neue Risiken. Denn der vom Endkunden zu zahlende Preis wird im neuen System stärker vom Bestellgeschick des Händlers abhängen als bisher. Künftig sind auch im Laufe eines Monats größere Preisschwankungen möglich. Dies wird den Aufwand und den Diskussionsbedarf rund um eine Bestellung vor allem in Zeiten stark schwankender Legierungsmittelpreise erhöhen. Die oft eingeforderte Transparenz bei der Preisbildung wird für die betroffenen Endkunden abnehmen.

Aus Sicht der Hersteller liegt ein positiver Effekt eines täglichen Zuschlages darin, dass Wettbewerbsnachteile zu asiatischen Rostfrei-Herstellern, die sich bisher oft schneller an veränderte Legierungspreise anpassen konnten, reduziert werden könnten. Ob die Volatilität am Rostfrei-Markt mit einem täglichen LZ wirklich nachhaltig eingedämmt wird, ist aus meiner Sicht nach wie vor fraglich. Starke Preisbewegungen auf der Rohstoffseite werden immer das Bestellverhalten für das davon betroffene Endprodukt beeinflussen. Ein täglicher Zuschlag kann den Effekt zwar möglicherweise dämpfen, aber nicht ganz ausschalten. Ähnliches gilt für das Problem mangelnder Vertragstreue.

Abzuwarten bleibt, ob der Handelsbereich sich tatsächlich – wie offenbar herstellerseitig erwünscht – stärker als bisher bei Hedging- und Absicherungsmöglichkeiten engagiert. Für Unternehmen, die damit bisher nicht vertraut sind, dürfte der damit verbundene Aufwand gerade in dem derzeit harten Geschäftsumfeld zu hoch sein.

Die Schritte von Outokumpu und Aperam bedeuten zwar, dass sich der europäische Markt in Richtung eines Tageszuschlages bewegt. Ob sich dieser am Ende des Tages durchsetzen wird, bleibt aber erst einmal abzuwarten. Durch die derzeit bestehenden Unterschiede zwischen den Herstellern gibt es für die betroffenen Händler eine Wahl-möglichkeit. Es wird interessant zu beobachten sein, ob dies bei den Bestellmengen zu erkennbaren Verschiebungen führen wird.

© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Nachdruck und Verwendung mit Quellenangabe ist erlaubt.

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