Stahlmarkt Consult Blog

In meinem Stahlmarkt-Blog befasse ich mich mit Neuigkeiten aus der Stahlmarkt-Welt und analysiere Trends und Marktentwicklungen.

Stahlnachfrage: Deutschland als Underperformer, China als Stütze

Im Oktober hat der Weltstahlverband worldsteel seine neue Prognose für die globale Stahlnachfrage vorgelegt. Die Zahlen zeigen: in kaum einem anderen Land entwickelt sich die Stahlnachfrage in diesem Jahr so schlecht wie in Deutschland. Unter den zehn wichtigsten Ländern verzeichnet nur die Türkei ein noch größeres Minus. Dagegen wird der chinesische Markt in diesem Jahr erneut über den Erwartungen liegen und den Weltverbrauch nach oben ziehen. Die Aussichten für 2020 sind von zahlreichen Unsicherheiten geprägt und bleiben insgesamt trübe.

Weniger die nackten Zahlen der Prognose als die dahinterstehenden Entwicklungen sind für die Stahlmarktanalyse wichtig. Es zeigen sich einige Trends, die den Stahlmarkt prägen.

  1. Der deutsche Markt entwickelt sich weit unterdurchschnittlich
    Die Nachfrage am deutschen Markt soll nach der Prognose in diesem Jahr um 6% schrumpfen. Aus dem noch im Frühjahr erwarteten minimalen Rückgang ist ein scharfer Knick geworden. Hoher Industrieanteil, starke Exportlastigkeit und überragende Bedeutung der schwächelnden Automobilindustrie schlagen negativ zu Buche. Dabei scheint die worldsteel-Prognose noch schöngefärbt. Der vom RWI (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) für dieses Jahr prognostizierte Rückgang der deutschen Marktversorgung um knapp 10% scheint näher an der Wahrheit zu liegen. Selbst mit der positiveren Variante liegt Deutschland im Vergleich der zehn größten Stahlmärkte auf Platz neun. Nur die Türkei mit einem (ebenso wahrscheinlich zu „positiv“) angesetzten Einbruch von 14,5% schneidet noch schlechter ab. Der Rückgang der Nachfrage in Deutschland fällt fast fünf Mal so stark aus wie im Mittel der EU28.

  2. China ist eine Stütze, die schwächer wird
    Die Stahlnachfrage in China wird in diesem Jahr, wie auch schon in den Vorjahren, die Erwartungen weit übertreffen. Nun wird ein Zuwachs von 7,8% erwartet statt mageren 1%, die noch im April vorhergesagt wurden. Ein Teil der Korrektur geht auf rein statistische Effekte im Zusammenhang mit zuvor nicht erfassten Kapazitäten zurück. Das reale Plus von ca. 4% wird wesentlich von der Bauwirtschaft getragen und ist ein entscheidender Faktor dafür, dass im globalen Maßstab in diesem Jahr noch ein leichter Zuwachs der Nachfrage zustande kommt.

    Unter dem Strich lässt die Nachfragedynamik in China nach, nur nicht so schnell und so stark wie ursprünglich vermutet. Für 2020 erwartet der Weltverband noch ein leichtes Plus von 1,0% statt wie zuvor ein leichtes Minus. Diese Erkenntnis hat vor allem Folgen für die zu erwartende Nachfrage nach Rohstoffen, die wohl weniger dynamisch ausfallen wird. Dagegen hat China am globalen Exportmarkt in den vergangenen Jahren klar an Bedeutung verloren und gibt nicht mehr im Maße früherer Jahre die Richtung vor. 

  3. Bau schlägt Automotive
    Praktisch weltweit leidet die Industrie unter den Handelskonflikten und schwachen Investitionen. Besonders betroffen ist die Automobilindustrie. Dort wird die weltweite Produktion 2019 zum zweiten Mal in Folge fallen. Auch im Maschinenbau ist das Wachstum ausgelaufen. Dagegen schlägt sich die mehr von nationalen Faktoren abhängige Bauwirtschaft besser. Hier gibt es weiter Wachstum, auch wenn die Zuwachssraten kleiner werden. Für den Stahlbedarf bedeutet dies: die Nachfrage nach baunahen Langprodukten bleibt relativ stärker als die für autonahe Flachprodukte.
  1. Weltmarktwettbewerb bleibt intensiv
    Im Jahr 2020 wird sich die Situation nicht wesentlich ändern. Gegenüber der Frühjahrsprognose hat worldsteel die Erwartungen für 2020 für die meisten Länder leicht nach unten korrigiert. Aufgrund des nachlassenden Wachstums in China soll der globale Zuwachs bei nur noch 1,7% liegen und damit noch etwas schwächer als in diesem Jahr ausfallen. Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten beinhaltet die Prognose mehr Risiken nach unten als Chancen nach oben. 

    Unter den großen Stahlländern wird lediglich für Indien mit +7% und für die in den letzten Jahren extrem gebeutelte Türkei mit 6% ein stattliches Plus erwartet. Für die Welt ohne China ergibt sich ein Plus von 2,5%. In den klassischen Industrieländern ist kaum Wachstum zu erwarten. Deutschland liegt zwar mit einem erwarteten Plus von 1,5% noch am oberen Rand dieser Ländergruppe, aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus ist dies aber nicht wirklich tröstlich. In Ländern wie den USA, Japan, Süd-Korea und Russland wird die Nachfrage im kommenden Jahr kaum wachsen. Die dynamischen ASEAN-Länder kommen auf mehr als 5%, gleichzeitig entstehen dort aber weiter neue Kapazitäten. Das bedeutet: der Weltmarktwettbewerb bleibt vor allem bei Flachstahl intensiv und Erzeuger aus vielen Ländern werden dabei mitmischen.   

© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Verwendung nur mit Quellenangabe erlaubt.

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