Der dramatische Stahlpreisanstieg hat sich in den ersten Wochen des neuen Jahres quer durch die Erzeugnisse fortgesetzt. Zusammen mit eskalierenden Versorgungsproblemen sorgt dies in der Wertschöpfungskette Stahl für zunehmende Spannungen. Das Verhalten mancher Kunden und Lieferanten potenziert bestehende Probleme. Dabei sind jetzt gemeinsame und faire Lösungen gefordert.

Am Spotmarkt für Flacherzeugnisse hat sich der Preisanstieg seit dem Sommer 2020 mittlerweile auf mehr als 300,- €/t summiert. Die Preise haben damit den höchsten Stand seit 2008 erreicht. Bei schrottbasierten Langerzeugnissen wie Walzdraht oder Betonstahl ist es in den vergangenen Wochen zu selten gesehenen Preissprüngen gekommen. Auch hier haben die Preise langjährige Höchststände erreicht. Gleichzeitig wird die Versorgungslage von vielen Unternehmen als sehr angespannt geschildert. Im Vertragsgeschäft mehren sich Meldungen über Mengenkürzungen seitens der Lieferanten. Zusatzmengen und Deckungen für ausgefallene oder verzögerte Lieferungen können nicht oder nur mit erheblichen Preisaufschlägen beschafft werden. Lieferzeiten reichen teilweise bereits ins 3. Quartal.

Für viele Stahlverarbeiter ist es täglich eine große Herausforderung, die eigene Stahlversorgung mit den Lieferzusagen an Kunden in Einklang zu bringen. Zunehmend werden auf juristischer Ebene Diskussionen über „Selbstbelieferungsvorbehalt“ und „Höhere Gewalt“ geführt. Schon das alleine zeigt, wie angespannt und ernst die Lage ist.

Wie so oft, sind es mittelständische Unternehmen in der Mitte der Wertschöpfungskette, die den größten Druck auszuhalten haben. Große Unterschiede zwischen Spotmarkt- und Vertragspreisen verschärfen die Lage. Vielen Unternehmen wird nun schmerzlich bewusst, welche Risiken sie mit auseinander laufenden Preisbindungsfristen in Einkauf und Verkauf eingehen. Diese hängen oft mit fehlender Marktmacht zusammen und sind nicht zu vermeiden. Aber auch eigene Versäumnisse spielen eine Rolle. Sind der Unternehmensleitung überhaupt die bestehenden, strukturellen Risiken bekannt? Stimmt die Abstimmung zwischen Einkauf und Vertrieb? Gibt es eine überzeugende Kommunikation mit den Kunden?

Das Verhalten mancher Kunden und Lieferanten potenziert die Probleme. Manche Kunden wollen von der Beteiligung an höheren Stahlpreisen nichts wissen. „Geht sowieso bald wieder vorbei“, heißt es dann, oder „Ihr Wettbewerber hat keine Probleme“. Aufforderungen, nun für ausreichende Bestände zu sorgen und die Lieferfähigkeit zu sichern, wirken in der aktuellen Marktlage genauso realitätsfern wie der „Wunsch“, Teilepreise auf dem Materialkostenniveau des Vorjahres am besten gleich für zwei Jahre festzuschreiben. Manche Lieferanten wollen dagegen von einer Lieferverpfllichtung nichts wissen und kürzen mal eben die zugesagten Mengen um 50%. An den entstehenden Mehrkosten wollen sie sich natürlich nicht beteiligen. Unterdessen sprechen Lobbyverbände der Stahlhersteller weiter von Krise und drängen die Politik, den EU-Markt weiter gegen Importe abzuschotten.     

Dies mag kein repräsentatives Bild sein, Einzelfälle sind es aber auch nicht. Zum Glück gibt es Gegenbeispiele: Große Kunden, die ihre Zulieferer bei der Materialsuche unterstützen und sich fair an höheren Kosten beteiligen. Lieferanten, die zu geschlossenen Verträgen stehen. Marktpartner, die nach gemeinsamen Lösungen suchen.

Märkte mit großen Preisschwankungen bringen für alle Glieder der Wertschöpfungskette große Herausforderungen mit sich. Da letztlich alle Teile aufeinander angewiesen sind, zahlt sich langfristig gemeinsames Handeln aus. Und das nicht nur, weil auch wieder andere Marktphasen kommen. Auch und gerade in Krisenzeiten gibt es Instrumente, die das Miteinander erleichtern. Dazu gehören zum Beispiel faire und zielgenaue Preisgleitklauseln, eine frühzeitige und transparente Kommunikation über Marktveränderungen und fundierte, objektive Informationen. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie dabei Unterstützung benötigen.

© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Verwendung nur mit Quellenangabe erlaubt.