Stahlmarkt Consult Blog
Eisenerzpreise ignorieren Prognosen und fallen auf 5-Jahres-Tief
Die Eisenerzpreise machen in diesen Tagen wieder einmal von sich reden. In kleinen, aber stetigen Schritten sind sie seit Mitte August von ca. 95,- $/t auf zuletzt unter 84,- $/t gefallen. Dies gilt für den Feinerz-Richtpreis mit einem Eisengehalt von 62%, geliefert nach China. Nach einer zwischenzeitlichen Phase der Stabilität im Sommer setzt sich jetzt also der Abwärtstrend der ersten Jahreshälfte fort, der den Preis von ca. 135,- $/t am Jahresanfang in einen Bereich zwischen 90,- und 100,- $/t geführt hatte. Mit dem jetzt erreichten Wert haben die Eisenerzpreise in diesem Jahr um ca. 35% nachgegeben und auf Dollarbasis den tiefsten Stand seit Juli 2009 erreicht. Auf Eurobasis gilt dies nicht ganz, da der Euro gegenüber dem Dollar aktuell um ca. neun Prozent schwächer notiert als vor fünf Jahren.
Seit Ende August bewegt sich der Eisenerzpreis ständig unter der Marke von 90,- $/t. Damit scheint erneut eine von vielen Analysten als „sicher“ angenommene Unterstützungslinie gefallen zu sein. Überhaupt hat Eisenerz in diesem Jahr wieder einmal unter Beweis gestellt, dass es sich einfach nicht an die gängigen Preisprognosen hält. Am Jahresanfang hatten fast alle Experten von Banken, Investment- und Minengesellschaften ein Preisband von 100,- bis 140,- $/t für das Jahr 2014 prognostiziert. Und im zweiten Halbjahr 2013 schwankten die Preise recht stabil zwischen 130,- und 140,- $/t und lagen damit über den Erwartungen. Nun werden die Preisprognosen für den Rohstoff fast im Wochentakt an die Realität angepasst und nach unten korrigiert.
Erklärbar ist der Preisrückgang in erster Linie damit, dass die großen Minengesellschaften in Australien und Brasilien ihre Eisenerzförderung deutlich ausweiten, während auf der Nachfrageseite der Motor der chinesischen Stahlindustrie als Hauptabnehmer ins Stottern geraten ist und nur noch geringes Wachstum ausweist. So entsteht ein Angebotsüberschuss, der zu niedrigeren Preisen führt. Sinkende Stahlpreise und eine eingeschränkte Kreditversorgung in China führen in einer Spirale zudem dazu, dass sich der Druck auf die Rohstoffpreise noch verstärkt.
Dass es in diesem Jahr auf dem Eisenerzmarkt zu einem Angebotsüberschuss kommen würde, war relativ vorhersehbar. Folgerichtig hatten viele Experten vor allem für das zweite Halbjahr mit niedrigeren Eisenerzpreisen gerechnet. Kaum jemand hat jedoch erwartet, dass die Preise bereits in diesem Jahr so stark fallen würden. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Angebot sich bisher weniger preiselastisch zeigt als angenommen. Die Mehrheitserwartung war, dass das zu niedrigen Kosten produzierte Erz der „Big Three“ (Vale, Rio Tinto und BHP) das zu zwei- oder dreimal höheren Kosten geförderte Eisenerz anderer Anbieter vom Markt verdrängen würde. Der Blick ging dabei vor allem nach China, wo die Förderkosten teilweise weit über 100,-$/t liegen. Der Preis, ab dem es in größerem Stil zu einer preisstützenden Marktbereinigung kommen würde, wurde zunächst auf 120,- $/t, dann auf 110,- $/t und zuletzt auf 90,- $/t geschätzt. Obwohl all diese Marken gerissen wurden, gibt es kaum Meldungen über Minenschließungen oder verringerte Produktion in China. Eine Reaktion zeigen eher kleinere, ebenfalls unter recht hohen Kosten produzierende Anbieter in Australien.
Während die großen Drei auch mit dem jetzigen Preisniveau noch Geld verdienen, wird es für immer mehr Minen mit höheren Kosten kritisch. Dies gilt umso mehr, je höher ein Unternehmen durch die vorigen Investitionen mit Schulden belastet ist. Wie es mit den Preisen weitergeht, ist umstritten. Während manche Marktbeobachter den Abwärtstrend noch nicht am Ende sehen und kurzfristig Preise zwischen 70,- und 80,- $/t für möglich halten, erwarten andere Experten, dass im vierten Quartal wieder Notierungen über 100,- $/t machbar sind.