Stahlmarkt Consult Blog
Mengenplus reicht nicht für höhere Stahlpreise, aber Stahlhersteller profitieren von niedrigeren Rohstoffkosten
Der deutsche Stahlmarkt hat im ersten Halbjahr ein deutliches Mengenplus verzeichnet. Für höhere Stahlpreise hat dieser konjunkturelle Rückenwind aber nicht ausgereicht. Die zuletzt vorgelegten Unternehmensergebnisse zeigen, dass sich die Lage der meisten Stahlhersteller trotzdem gegenüber dem Vorjahr gebessert hat. In der zweiten Jahreshälfte ist keine Änderung der Großwetterlage in Sicht.
Nach den kürzlich vorgelegten Zahlen der Wirtschaftsvereinigung Stahl lagen die Auftragseingänge der deutschen Werke an Walzstahlerzeugnissen im ersten Halbjahr mit 19,7 Mio. Tonnen um 4% über dem Vorjahr. Dabei hat sich das Plus zum Vorjahr von 3,3 Prozent im ersten Quartal auf 4,7 Prozent im zweiten Quartal beschleunigt. Nach der Stahlhandelsstatistik des Bundesverbandes Deutscher Stahlhandel verzeichnete der Stahlhandel in den ersten sechs Monaten ebenso ein Absatzplus von knapp vier Prozent. Die Rohstahlproduktion lag bis Juli um 3,9% über dem Vorjahr, wobei dieser Zuwachs durch Sonderfaktoren überzeichnet ist und im weiteren Jahresverlauf wieder sinken dürfte.
Trotz der durchaus deutlichen Mengenbelebung sind die Stahlhersteller bisher in mehreren Versuchen damit gescheitert, höhere Preise am Markt durchzusetzen. Im Gegenteil: Bei fast allen Stahlerzeugnissen liegen am Spotmarkt die Preise derzeit unter dem im Juli erreichten Tiefstand des Jahres 2013. Für den Durchschnitt der Walzstahlerzeugnisse weist der Index der Erzeugerpreise des Statistischen Bundesamtes für Juli 2014 einen Rückgang um 2,0% gegenüber dem Vorjahresmonat aus, wobei es größere Unterschiede zwischen den verschiedenen Erzeugnissen gibt. Die Spotmarktpreise für Flacherzeugnisse sind seit März 2014 im Marktdurchschnitt um 30,- bis 35,- €/t gesunken.
Hauptgrund für die gesunkenen Preise sind die deutlich niedrigeren Rohstoffkosten, die bei der Hochofenroute auf Basis von internationalen Referenzpreisen derzeit ca. 50,- €/t unter dem Vorjahr liegen. Auch der aus Überkapazitäten innerhalb der EU resultierende und durch steigende Einfuhren aus Drittländern verschärfte Wettbewerbsdruck verhindert höhere Stahlpreise.
Dennoch haben die hiesigen Stahlhersteller von den Nachfragezuwächsen profitiert. Die in den vergangenen Wochen zahlreich vorgelegten Quartalsergebnisse sind bei fast allen Unternehmen besser als im Vorjahr ausgefallen. Neben den eingeleiteten Maßnahmen zur internen Kostensenkung und der im Schnitt gestiegenen Auslastung hat sich positiv ausgewirkt, dass die Stahlpreise in vielen Fällen weniger stark als die Rohstoffkosten gesunken sind. Dies wurde maßgeblich durch die gegenüber dem Vorjahr verbesserte Nachfrage ermöglicht.
Die Großwetterlage am deutschen Markt dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte kaum ändern. Ähnlich wie in den Vorjahren dürfte die Stahlnachfrage auf Jahressicht bereits im ersten Quartal ihren Höhepunkt erreicht haben. Die Marktdynamik hat gegenüber dem Jahresanfang bereits nachgelassen. Die Auftragseingänge der Werke lagen im zweiten Quartal knapp 5% unter dem ersten Quartal. Nachdem sich die Konjunkturaussichten zuletzt eingetrübt haben und auch keine größeren Lagereffekte mehr zu erwarten sind, dürften sich in der zweiten Jahreshälfte keine größeren Zuwächse einstellen.
Ein weiteres Absinken der Stahlpreise ist aktuell unwahrscheinlich. Die Rohstoffkosten haben sich seit Juli stabilisiert, so dass von dieser Seite derzeit kein weiterer Druck auf die Stahlpreise ausgeht. Auch am internationalen Stahlmarkt zeigen sich die Preise in den vergangenen Wochen recht stabil. Die Importpreise aus Drittländern für Lieferungen in die EU sind, unterstützt durch den schwächeren Euro und die in Teilsegmenten spürbaren Auswirkungen der Ukraine-Krise, teilweise leicht angestiegen. Dadurch hat sich der ausgeprägte Preisdruck auf der Importseite etwas gemildert. Allerdings bleibt der innereuropäische Wettbewerb vor allem mit Blick auf Angebote aus Südeuropa intensiv.
Ob sich die am Markt vielfach vorhandene Erwartung bestätigt, dass nach der Sommerpause die Stahlpreise etwas anziehen werden, bleibt abzuwarten. Zwar ist das Angebot einiger Hersteller in den Sommermonaten reduziert und aufgrund der erwarteten Lagerergänzungen könnte der Markt etwas enger werden. Die zuletzt nach unten korrigierten Erwartungen zum Wirtschaftswachstum dürften aber die nachfrageseitigen Effekte begrenzen. Zudem werden die Stahlpreise nach meiner Einschätzung auch nach der Sommerpause stark von den Tendenzen bei den Rohstoffpreisen abhängen. Stahleinkäufer sollten hier in erster Linie die Schrottpreise beobachten, wo vor allem aus Südeuropa höhere Preise gemeldet werden. Dagegen ist bei Eisenerz und Kokskohle derzeit keinerlei Aufwärtstrend erkennbar.